BIG! Kaum eine Abkürzung hätte treffender für die Bjarke Ingels Group sein können. Bjarke Ingels ist jung, mutig und war bereits mit 40 international erfolgreich. Seit 2005 leitet er das Architekturunternehmen mit dem Namen BIG – mittlerweile nicht nur in Kopenhagen, sondern auch in New York und Peking.
Mit seinen plakativen Ideen und aussergewöhnlichen Projekten gehört Bjarke Ingels zu der Spitze der jungen Architekten und BIG zweifelsfrei zu den Senkrechtstartern unter den jungen Architekturbüros. Sein Stil: plakativer Pragmatismus mit visionären Tendenzen. Seine Philosophie: Yes is more! Sein Ziel: eine Architektur, die sich durch frische Ideen flexibel an aktuelle Bedingungen anpasst und so Orte generiert, die kompromisslos funktionieren und möglichst alle Bedürfnisse bedienen. Das mag etwas utopisch klingen, aber genau das darf es auch, denn: Yes is more!
Urbane Utopien
Er baut Siedlungen als geschwungene Acht, Wohnkasernen als Berglandschaft in Stein oder er versteckt sogar ein Müllkraftwerk in einem Skiberg. Selbst sagt Ingels: «Die Architektur wird seit jeher durch zwei gegensätzliche Extreme beherrscht: durch eine Avantgarde voller verrückter Ideen aus Philosophie oder Mystik und durch straff organisierte Beraterfirmen, die vorhersagbare, langweilige Schachteln von hohem Standard errichten.» BIG verfolgt den Weg der verrückten Ideen, aber seine unorthodoxen Entwürfe sind nicht nur verrückt, sondern auch sensationell, funktionell und nachhaltig.
Das «Mountain Dwellings» ist auch eine seiner verrückten Ideen. In der Tat ein ziemlich schräges Projekt und auch in der Realität etwas schräger als sonst. Hier haben die Experimentalarchitekten die verschiedenen gestapelten Funktionsbereiche gedreht und gekippt und dadurch ein Gebäude errichtet, bei dem die unabhängigen Bestandteile des Wohnens und Parkens auf eine symbiotische Art miteinander verbunden sind. Entstanden ist ein künstlicher Berg von 34 Meter Höhe, und in einem Verhältnis von 1:3 fungieren die Wohnungen als Dach des vierstöckigen Parkhauses. Da die Wohnungen zugleich treppenartig angelegt sind, wurden die Terrassen begrünt und mit einem nachhaltigen Bewässerungssystem angelegt, welches für die jeweils darüber liegende Wohnung dient. Und wer denkt, Parkhäuser sind die grauen Orte, wo die üblen Mordfälle im Film passieren, sieht sich getäuscht. Hier ist alles farbenfroh, hell und von Dutzenden Pfeilern getragen – an manchen Stellen ist die Decke gar 16 Meter hoch und wirkt somit fast wie eine Kathedrale. Aus den einfachen Prinzipien Heben, Senken, Drehen und Verschieben wurde mit «Mountain Dwellings» ein sensationelles Gebäude gestaltet – wo man sich sogar vorstellen könnte ins Parkhaus zu ziehen.
Unweit von Kopenhagen liegt im dänischen Helsingør am Øresund das Weltkulturerbe Schloss Kronborg. Hier liess Shakespeare nicht nur Hamlet leben und sterben, sondern an der Landzunge mit dem Blick nach Schweden war dieser Ort ein wichtiges Nadelöhr zwischen Ost und Nordsee. Hier kam auch der erste oder letzte Gruss der dänischen Seefahrer, die in ihr Land zurückkamen oder hierher nie wieder zurückkehren sollten. Also genau der richtige Platz für ein Seefahrtmuseum. Nach rund hundert Jahren musste jedoch das dänische Seefahrtmuseum «Museet for Søfart» das Schloss Kronborg auf Geheiss der UNESCO verlassen. Eine Bedingung musste jedoch erfüllt werden: Um die Sicht auf das Schloss Kronborg zu wahren, durfte der Neubau nur einen Meter hoch werden. Das Museum ist – wie von BIG zu erwarten – grandios! Doch diesmal wurde das Gebäude in eine andere Richtung gebaut: «Obwohl unter der Erde, ist es uns gelungen, das höchste Gebäude zu errichten, das wir jemals für Dänemark erdacht haben», sagt Ingels. Die Bedingung wurde eingehalten, denn die Sicht auf Hamlets Schauplatz ist frei: Unterhalb der Grasnarbe wurde ein 150 Meter langes, 25 Meter breites und 10 Meter tiefes Betontrockendock gelegt. Somit ist Bjarke Ingels zum Helden des Paradoxen geworden denn bisher waren seine Markenzeichen Hügel und Berge. Hier hat er eine neue Implosive Architektur geschaffen, welche die Formexplosion über der Erde nicht mehr nötig hat. Die schrägen Brücken und steilen Treppen vermitteln dem Besucher zugleich, auf hoher See zu sein – für die Dänen als Seefahrernation gewiss kein Problem.
Gross, grösser, Bjarke Ingels
Doch wer ist nun der junge Däne, der in die Erde seine Signatur setzt? Bjarke Ingels wurde 1974 in Kopenhagen geboren, wo er 1999 seinen Abschluss an der The Royal Danish Academy for Art and Architecture machte. «Ich hatte überhaupt keine Ahnung von Architektur. Ich kannte nur den Namen von einem einzigen Architekten, und zwar Jørgen Utzon. Ich hatte überhaupt keine Voraussetzungen», sagt Ingels. Lange Zeit träumte er davon Comiczeichner zu werden, und bei der Dänischen Akademie bewarb er sich nur, weil man beim Studium viel zeichnete. Doch der Durchbruch gelang ihm, als er bei dem renommierten Architekten Rem Koolhaas arbeitete und zusammen mit Julian de Smedt seine erste Firma gründete. Angesichts dessen, dass er ursprünglich Comics statt Architektur zeichnen wollte, ist ihm sein Weg mehr als gelungen.