Nach dem Motto der Mailänder Schule «vom Löffel bis zur Stadt», hat Matteo Thun jegliches gestaltet – und schafft dabei eine gelungene Verknüpfung von Design und Architektur.
Vom Besteck bis zur Tass und von Armbanduhren bis zu Hotels gestaltet der Südtiroler seit fast 30 Jahren – stets nach den beiden Mottos «ZERO Design» und «Ecotecture» – puristisches Design und nachhaltige Bauwerke. Er zählt zwar zu den bekanntesten Architekten Italiens, jedoch ist er auch ein stilprägender Entwerfer von Interior- und Produktdesign. Er ist damit ein typischer Vertreter der Mailänder Schule, deren Eigenart für Thun die ganzheitliche Planung ist.
ZERO Design und Ecotecture
Im Bereich Industriedesign hat Matteo Thun als Verfechter des so genannten «Neokitsch» die traditionellen Designpfade verlassen und dabei oft auch das Credo «Form follow functions» geschmäht. Ob Gläser für Campari, Sanitärausstattungen für Duravit, Sonnenbrillen für Silhouette , Uhren für Bulgari und Swatch oder Espressotassen – im Bereich Design stehen seine Produkte für «ZERO Design». Für ihn bedeutet No-Design eine ikonenartige Form, bei der alles Überflüssige weggenommen wird und Form und Funktion so puristisch wie möglich sind. Die Suche nach dem echten Wesen eines «Dings» ist hierbei entscheidend. In der Architektur ist stets die ästhetische, ökonomische und technologische Nachhaltigkeit das Leitmotiv von Matteo Thuns Schaffen. Seit einigen Jahren geht es in der Architektur kaum noch etwas ohne den Nachhaltigkeitsaspekt. Vorreiter dieses Konzepts in der Architektur und über den Zweifel des Opportunismus erhaben ist Matteo Thun.
Architekt, Interior Designer oder Produkt Designer… als was würden Sie sich bezeichnen?
Ich habe bei Oskar Kokoschka studiert, machte mein Architekturexamen an der Universität in Florenz und war Mitbegründer der Memphis Gruppe. Mitte der 80er Jahre gründete ich mein Studio in Mailand und folge seitdem dem Motto der Mailänder Schule «vom Löffel zur Stadt». Mein Ansatz ist der gleiche: der des Architekten, der im grossen oder kleinen Massstab plant.
Welche Verantwortung übernehmen Sie mit Ihrer Arbeit?
Bei Matteo Thun & Partners arbeiten inzwischen zirka 60 Architekten, Ingenieure, Interior-Designer, Produktdesigner und Grafiker. Experten, die interdisziplinär arbeiten und damit ganzheitliche Projekte realisieren können. Für mich und das Team ist es selbstverständlich, nachhaltig zu planen und impliziert ästhetische, ökonomische und technologische Dauerhaftigkeit zu gewährleisten.
Das Thema Nachhaltigkeit spielt heutzutage eine wichtige Rolle. Wie haben Sie diesen Wandel im Laufe der Jahre empfunden und wie stehen Sie dazu?
Der Begriff ist heute leider äusserst überstrapaziert. Meine architektonischen Vorbilder sind die Walser beziehungsweise die Bergbauern im Alpenraum – sie bauen mit der Natur. Wir haben die drei Zeros zu unserer Philosophie gemacht: Zero Km bedeutet die Baumaterialien stammen aus der Region, es gibt lokale Fachkräfte; Zero CO2 steht für Energiemanagment und niedrigsten CO2-Ausstoss; Zero Abfall heisst weniger Müll – wie organisiert man den Lebenszyklus von Materialien im Bauprozess – wie baut man auf und wie baut man ab?
Zu Zeiten der Memphis Group verstiessen Sie gegen Konventionen. Erleben Sie auch in der Gegenwart das Bedürfnis gegen gewisse Konventionen zu agieren?
Memphis protestierte gegen die Verflachung und die Lustlosigkeit des Designs, das sich ausschliesslich an der Funktionalität orientierte. Wir waren schlicht und einfach wütend auf den Ist-Zustand im Produktdesign. Ich versuche auch heute noch «sensorielle» Produkte zu realisieren und suche in allen Bereichen meines Berufes immer nach neuen Lösungen.
Stein, Holz, Stahl… Haben Sie ein Material, mit dem Sie bevorzugt arbeiten?
Wir bauen vor allem mit natürlichen Materialien – Holz ist dabei mein Lieblingsmaterial. Es könnte, als einziger nachwachsender Rohstoff, das Material des 21. Jahrhunderts sein!
Wie sehen Sie die Architektur der Zukunft?
Ich war massgeblich bei der Entwicklung des «KlimaHotel»-Zertifikats beteiligt. Das Zertifikat gibt dem Gast die Sicherheit, dass beim Bau des Projekts respektvoll mit der Natur umgegangen wurde, beurteilt die Auswirkungen auf die Umwelt und beschäftigt sich mit den sozioökonomischen Konsequenzen. Die Projekte, die wir entwerfen, versuchen wir nach dem Katalog dieses Zertifikats zu verwirklichen.