Kaum ein anderer hat die Entwicklung des Automobils so massgeblich beeinflusst wie Ferdinand Porsche. Bereits 1906 begann der damals 21-Jährige seine Automobilkarriere als Entwicklungsleiter bei der Österreichischen Daimler KG. Die Begabung des Konstruierens wurde von den Porsches von Generation zu Generation weitergegeben.
Ferdinand Alexander Porsche, der Enkel des Firmengründers, zeichnete 1961 für die Entwicklung des Porsche 901 verantwortlich, der 1963 als Porsche 911 auf der IAA vorgestellt wurde und bis heute als Basis für den Automobilen Erfolg des Unternehmens steht. Im Schatten des 911 entstanden in den Jahrzehnten danach einige Fahrzeuge, jedoch konnte keines den 911 vom Thron schubsen. Der Kultstatus vom 911 ist legendär, wenngleich man bei Porsche auch einige andere Modelle finden, welche mit engagiertem Tatendrang am Elfer-Thron rütteln.
Als leidenschaftlicher Porsche-Fan war es für mich eine exzellente Gelegenheit, die Modelle Boxster S, Cayman S und den legendären 911 Carrera auf der Halbinsel Istrien an der azurblauen Adriaküste zu erleben. Jedoch sollte nicht nur die schöne Natur genossen werden – es standen vielmehr die Autos im Mittelpunkt.
Zagbreb – Opatija – Rovinj mit 911 Carrera S
Nach der Ankunft am Flughafen Zagreb wurden wir abgeholt und ins Hotel Regent Esplanade gefahren, wo ein Fahrerbriefing stattfinden sollte. Insgesamt zwölf Autos waren aus Stuttgart nach Zagreb transportiert worden, die nun auf fahrhungrige Journalisten warteten. Das Ziel des heutigen Tages war Rovinj; bevor wir jedoch dort in der Abenddämmerung ankommen sollten, warteten viele Kilometer Fahrspass auf uns. Meine erste Etappe sollte mit dem 911 Carrera S stattfinden. Eine Ikone, die alle bisherigen Autos in meinem Leben in den Schatten stellt. Der 911 ist im Laufe der Jahre grösser geworden. Doch die unumgängliche Verdächtigung: grösser gleich klobiger gleich schwerer – kann nicht bestätigt werden! Durch die Fahrzeugarchitektur mit breiter Spur an der Vorderachse und einer flachen Dachlinie wirkt der 911 in der Frontansicht dynamisch und sportlich elegant. Das Heck ist knackig sowohl im Design als auch im Auftritt und in der Wirkung. Eine klare Formsprache mit einer klaren Linienführung und als Abschluss die schmalen Heckleuchten, die die horizontale Ausprägung des Hecks unterstreichen. Und last, but not least die Edelstahlendrohre (bei den S-Modellen sind sie auf beiden Seiten doppelflutig ausgeführt), die auf Knopfdruck für noch mehr Sportwagensound sorgen.
Ich drehe den Schlüssel in das links liegende Zündschloss – das ebenfalls fast schon Kultstatus erworben hat – und mit einem heisseren Sound startet das Triebwerk synchron zu meiner Gänsehaut. Je höher die Drehzahl, desto grollender das Klanggewitter über dem Elfer-Heck. Es wäre schade, das Verdeck zu schliessen, denn der Sound zieht wie ein Tornado in den geöffneten Innenraum. In Zagrebs Innenstadt geht es nur langsam voran. So habe ich Zeit, das Interieur unter die Lupe zu nehmen. Hier geht Sportlichkeit im Einklang mit Komfort. Das gilt auch bei der durchdachten Ergonomie, die das gesamte Interieur Design durchzieht: Materialien, Bedienlogik und -anordnung. Nachdem wir aus der Stadt sind, cruisen wir entspannt über die Autobahn Richtung Karlovac, um uns einer Bergregion, die von Fichten- und Buchenwäldern sowie kurvigen Strassen geprägt ist, zu nähern.
Da ich die Unebenheiten der Strassenoberfläche etwas intensiver spüren möchte, schalte ich das aktive Fahrwerk «Porsche Active Suspension Management» (PASM) ein. Per Tastendruck schaltet man in den Sport-Modus und eine härtere Dämpfung und ein direkteres Einlenken sind sofort deutlich spürbar. Die Motorsteuerung macht den Motor noch bissiger und die Kennlinie des Gaspedals wird dynamischer. Eine beeindruckende Lenkung und eine variable Lenkübersetzung sorgen dafür, dass sich die «schwere» Sportskanone auch bei hoher Geschwindigkeit stets präzise und sicher lenken lässt.
Die Ankunft in Rovinj erlebte ich mit gemischten Gefühlen: Wehmut über die Fahrt, die zu schnell vorbei war, aber auch Freude darüber, dass am nächsten Morgen ein neues Porsche-Modell auf mich wartet
Rovinj – Livade – Selce mit Boxster S
315 PS, von null auf 100 in 5,1 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 279 km/h – diese Werte markieren das «unterste Niveau» der Zuffenhauser Sportwagenbauer, denn sie stehen auf dem Datenblatt des Porsche Boxster S.
Die Zeiten, als der Boxster als «Hausfrauen-Porsche» betitelt wurde, gehören längst der Vergangenheit an. Denn mit der neuesten Generation rückt der Sportwagen ein ganzes Stück näher an den 911 heran. Preislich gibt es grosse Differenzen zwischen dem 911 und dem Boxster – jedoch gewiss nicht beim Fahrvergnügen! Daher ist es legitim, sich zu fragen: Wie viel Porsche braucht der Mensch? Tut es auch schon der «kleine» Porsche? Wer über den Erwerb eines Porsche nachdenkt und sein Geld budgetieren muss, wird möglicherweise irgendwann vor dieser Entscheidung stehen.
Auf den kurvigen Strassen durch das grüne Hinterland von Istrien fährt der Boxster S ebenso scharf und bissig wie sein grosser Bruder. Dies vor allem bei gedrückter Sporttaste – der Motor klingt kerniger und er drängt mit einer Vehemenz nach vorn, die jede Äusserung betreffend «Hausfrauen-Porsche» wie ein Witz erscheinen lässt. In der Stadt Grožnjan – auch als die Stadt der Künstler bekannt – machen wir einen Halt. Die Stadt ist besonders interessant wegen ihrer Geschichte, die sich in jedem Winkel spüren lässt und doch mit der Gegenwart verschmilzt. Die Ortschaft ist voll von alten Kirchen, urgeschichtlichen Funden, altehrwürdigen Kastellen und vielen anderen alten Bauwerken, die nach der Renovierung ihren ursprünglichen Glanz wieder entfalten, um dem Betrachter die Lieblichkeit ihrer Entstehungszeit zu zeigen. Nach dem weniger PS-lastigen Spaziergang kommen wir zurück zu den Autos.
Der Anblick des Boxsters begeistert mich erneut. Von den rundlichen Formen seines Vorgängers hat er sich grösstenteils verabschiedet. Der Wagen ist etwas breiter geworden und der lange Radstand sowie die nach vorne gezogene Windschutzscheibe unterstreichen die keilförmig gestreckte Silhouette. Geschlossen verstärkt das sehr flach verlaufende Verdeck diesen Eindruck noch einmal. Ein optisches Highlight am Heck ist der Flügel der bei 120 km/h automatisch ausfährt, um den Auftrieb zu reduzieren. Das Interieur der Boxster-Modelle führt weiter, was das Äussere verspricht. Das Innenraumkonzept bietet mehr Platz und spiegelt die neue Porsche-Linie mit der ansteigenden Mittelkonsole wider.
Es geht weiter nach Livade. Dort erwartete uns ein Trüffelmenu im berühmten Restaurant Zigante. Seit Herr Zigante die mit 1,3 Kilogramm grösste Trüffel der Welt fand, gilt Livade als Weltzentrum der Trüffel. Gestärkt machen wir uns danach auf Richtung Selce. Durch das kurvenreiche Hinterland fährt der Boxster bissig durch die Kurven, beschleunigt schnell, bremst präzise und lässt sich exzellent lenken. Als wir am späten Nachmittag die Stadt Selce erreichen und der Tag mit dem Boxster sich zu Ende neigt, stellt man sich die Frage: einen Boxster oder einen 911? Nüchtern betrachtet ist es eine Frage der Details. Fest steht jedoch, die Zeit ist definitiv reif, um den alten Ruf des Boxsters endgültig zu begraben
Selce – Plitvice – Zagreb mit Cayman S
Flacher und gestreckter, leichter und schneller, effizienter und stärker als zuvor stellt sich der Cayman vor. Längerer Radstand, breitere Spur und grössere Räder steigern die Fahrdynamik des Mittelmotor-Sportwagens auf ein in dieser Klasse konkurrenzloses Niveau. Der Cayman S ist allein akustisch ein wahrer Genuss: Schon beim Anlassen heult der Motor kurz auf und bei aktivierter Sport-Plus-Abstimmung gibt der Motor beim Runterschalten selbsttätig und unüberhörbar Zwischengas. Der Sound klingt wie ein Löwe, der seine Umgebung anbrüllt. Auch wenn man technisch betrachtet gut ohne auskommen kann – diesen Sound wünsche ich mir als Klingelton auf meinem Handy.
Die Fahrt über die Küstenstrassen ist ein wahrer Genuss – von den steilen Klippen geniesst man den atemberaubenden Blick auf das türkisfarbene Wasser der Adria. Dabei stelle ich fest, dass der Cayman es eigentlich gar nicht nötig hat, mit profanem Auspuffdröhnen auf sich aufmerksam zu machen. Denn das Klangerlebnis ist natürlich nur eine nette Beigabe zum beeindruckenden Fahrerlebnis. Der Cayman S bietet reinrassiges Sportwagen-Feeling und einen mehr als dynamischen Antrieb. Die Kraftreserven scheinen nie auszugehen, Zwischenspurts und Überholmanöver erzeugen jedes Mal aufs Neue wieder Glücksgefühle. Mit deutlicher Fahrdynamik pirscht sich der Porsche Cayman S einen grossen Schritt näher an den 911 Carrera heran. Auch wir rücken immer näher an das Ziel unserer Reise. Zurück in Zagreb erreichen wir das Hotel Regent Esplanade parallel mit der schwedischen Königsfamilie. Und auch ich fühle mich ein wenig geadelt, als ich mit dem Cayman S am Eingang des Hotels vorfahren kann.
Bilder: Porsche Tour of Croatia © Dirk Michael Deckbar